gefördert durch das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Zur Verbindung von historischem Lernen, kulturpädagogischer Praxis und zeitgenössischen künstlerischen Strategien an NS-Gedenkstätten
Ein Modellprojekt des Bildungsverbundes für die internationale Jugendbegegnungsstätte Sachsenhausen e.V. in Kooperation mit der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Brandenburg e.V.
Gefördert im Rahmen des Programms VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Projektstandorte
Internationale Jugendbegegnungsstätte Oswiecim/AuschwitzInternationale Jugendbegegnungsstätte/Jugendherberge Sachsenhausen Haus Szczypiorski (Oranienburg)
Figuren der Erinnerung – Projekt mit zehn Jugendlichen vom Creativen Zentrum / Haus am Anger Falkensee in der Gedenkstätte Sachsenhausen – Projektleitung Ingo Wellmann(Dipl.-Bildhauer)
Ausgangssituation
Die authentischen Orte der nationalsozialistischen Verbrechen und Verfolgung werden von Jugendlichen aufgesucht, in Gruppen oftmals organisiert oder als Lehrveranstaltungen – Teilnahme ist Pflicht. Wie gelingt es, individuelle Raumerfahrung, Informationsangebot und die Erwartung eines „angemessenen Gedenkens“ miteinander zu verbinden? Jugendliche finden zu den Informationen keinen Zugang, sind abgelenkt oder nicht aufnahmebereit. Die Angebote sind nicht auf Jugendliche zugeschnitten. Der Bericht eines Zeitzeugen steht nicht (mehr) zur Verfügung. Die Informationen über die historischen Fakten und Zusammenhänge sind durch die Schulen bekannt (mehr oder weniger).Im Haus am Anger fanden Vorbereitungsabende für die Fahrt nach Israel statt mit der Information über die Shoah.
Ziel
Die Teilnehmer sollen den historischen Ort erfahren (Lager), Hintergründe und Entwicklungswege der Täter (Wohnhaus Eike) kennen lernen und einen persönlichen Bezug zu den Häftlingen (Identifikation – Mitleid) bekommen. Das erfolgreiche Gestalten einer künstlerischen Arbeit (zum ersten Mal in ihrem Leben gelingt ihnen der Aufbau einer lebensgroßen Figur) bestätigt und ermutigt sie.
Ort des Projektes
Das Projekt wird in Gesprächen mit den Teilnehmern vorbereitet. Der Projektleiter bereitet die Holzskelette im Haus am Anger vor (und transportierte sie nach Oranienburg). Das wäre natürlich auch mit den Jugendlichen möglich, könnte der Gruppenbildung dienen. Aus zeitlichen Gründen wählten wir diesen Weg. Die Herausnahme aus dem Unterricht war kompliziert genug…Wir wohnen für drei Tage am historischen Ort. Die Arbeit erfolgt in der Gruppe, aber jeder gestaltet sein eigenes plastisches Objekt.
Praktische Herangehensweise
Holzgerüste in menschlicher Größe (ca.1,80 m) werden vorgefertigt, und am ersten Tag wird sofort mit der praktischen Arbeit der Figurenaufbaus begonnen. Der Beginn ist also getragen von der eigenen künstlerischen Kreativität, weniger von der Menge an Informationen. Aus einem Gerüst (alle Gerüste sind gleich – eine Nummer unter vielen) wird ein Mensch, das er einen Häftling darstellen soll ist bekannt. Die Ausstellungen der Gedenkstätte sind in der näheren Umgebung des Arbeitsortes und können in selbstgewählten Pausen aufgesucht werden. Das praktische Gestalten in der Gruppe mit den Gesprächen über gestalterische Fragen nimmt die Angst vor der „Größe“ des Themas. Am Abend werden die Ergebnisse des Tages ausgewertet. In den Gesprächen während der Arbeit findet Kommentierung der Ergebnisse statt. Ideenfindung durch Vergleich. Skizze – Versuch – Verwerfen – neue Lösung Bestätigung der Varianten. Am Ende des zweiten Tages bekommt jeder durch die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Gedenkstätte die Biografie eines Häftlings und beginnt mit der Individualisierung seiner Figur. Neben der Häftlingskleidung (die für jeden typisch ist) bekommt ein Häftling besondere Schuhe (er war „Testläufer“) oder ein anderer z.B. ein Clownsgesicht als Detail der jeweiligen Lebensgeschichte. Der Abschluss wird am letzten Tag in einem Gang durch das ehemalige Lager mit der eigenen Figur zum Höhepunkt. Die Figuren werden auch manchmal durch mehrere Jugendliche getragen. Mit der Figur am historischen Ort wird die vom Jugendlichen vorgetragene Biografie zum Zeitzeugnis ohne dass ein lebender Zeitzeuge anwesend ist, obwohl „ man ihn zu sehen glaubt…“ „Ein solch aufmerksames einander Zuhören unter Jugendlichen habe ich hier noch nie erlebt!“, so sagt Frau Milarch über die Abschlußveranstaltung. Eine Mutter bringt Blumen mit, die wir am Ort der Biografie niederlegen. So ist eine würdige Form des Gedenkens gefunden.
Nachhaltigkeit des Projektes
Die Figuren werden mit den erklärenden Fotodokumentationen ausgestellt (Januar 09 im Berliner Abgeordnetenhaus „Denkmal“, März 09 in Brandenburg/Brennaborhallen zum Jugendkunst- schultag – später in der Gedenkstätte und im Haus am Anger). Elena schickt einen Bericht über das Projekt mit Fotos an die Familie ihres Norwegischen Häftlings und erhält eine sehr herzliche Antwort mit einem Tagebuch und viel Information. Der Bericht über unser Projekt im Zusammenhang unserer Austauschreise nach Israel findet dort große Beachtung mit der Frage, wie könnte man ein ähnliches Projekt in Israel zum „YomHaShoah“(Holocausterinnerungstag) umsetzen.